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Mittwoch, 7. Februar 2018

Russland in Veränderung (oder auch nicht)

Ich komme alle paar Jahre nach Russland zurück für einen Urlaub und beobachte fasziniert, wie sich das Land verändert. Update 2018.
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Schon vor einigen Jahren (um 2012) wurde die Tradition des Buchlesens in der Metro vom Spielen auf dem Smartphone verdrängt; aber es gibt sie noch, die Leute mit einem Buch, etwa so häufig wie in Deutschland.
Um diese Zeit herum eröffneten auch die ersten vegetarischen Cafés und Biomärkte im russischen Hinterland; mittlerweile sehe ich direkt aus meinem Zimmerfenster in Sankt Petersburg zwei davon.
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Die Sanktionen sorgten dafür, dass viele Lebensmittel teurer wurden. Nichtsdestotrotz sind die Supermärkte sind voll und überall finden sich Produkte aus dem Westen: Es gibt noch Milka, Lebkuchen und Mozartkugeln, Bonaqua und Gerolsteiner Wasser, Zewa-Taschentücher und Putzmittel mit deutschen Beschriftungen (wobei man nie sicher sein kann, ob es ein Mittel zur Vermarktung ist -- wie die Schokoladenmarke Alpengold -- da deutsche Produkte als qualitativ hochwertig gelten).
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Werbung wird als tanzender Lichtkegel auf den Schnee projiziert.
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Postämter gelten immer noch als Filiale der Hölle auf Erden, in die ein Einheimischer nie einen Fuß setzen würde, wenn nicht sein Leben davon abhinge. Aber auch hier scheint es Veränderungen zu geben: Früher hat eine Briefmarke in jedes Land unterschiedlich vielgekostet, aber heute sind es 41 Rubel in jedes beliebige Land.
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Das mobile Internet wird immer billiger, ich hatte eine 7GB Flatrate / Monat SIM-Karte für 15 Euro, und das war die teure Variante von eBay.
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Netflix gibt es auch in Russland, aber nur mit englischer und russischer Tonspur und gelegentlich finnischen Untertiteln -- Netflix interessiert es nicht, aus welchem Land man kommt, sondern nur, in welchem Land man sich aufhält.
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Im Schnellzug Sapsan laufen neben Filmen staatlich gesponserte Werbeclips: eine App, die anhand der User-Lokation anzeigt, wo sich die nächsten Recycling-Möglichkeit befindet (ich habe noch nie in Russland Mülltrennung gesehen).
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Ein Animationsfilmchen, das einen Opa zeigt, der mit Schrotflinte auf Gauner schießen will, aber eine Oma besteht darauf, dass er stattdessen die Polizei ruft; um das zu verdeutlichen, macht sie ein Schussgeräusch mit ihrem Siemens-Handy. Ob damit das Vertrauen in die Polizei gestärkt werden kann, bleibt abzuwarten. Meine Freunde haben früher gesagt: Wenn du nach einem Einbruch die Polizei rufst, nimmt sich der Polizist noch was mit.
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Präsidentenwahlinfos, schön animiert, sodass jeder weiß, wo er wählen gehen kann. Einige Bekannten wollen nicht hingegen, oder stattdessen ihren eigenen Namen auf den Wahlzettel schreiben, weil sie gehört haben, dass es so weniger wahrscheinlich ist, dass jemand anderes in ihrem Namen wählt.
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Wegen Terrorwarnungen und zurückgelassenen Taschen wird jeden Tag mindestens eine Metrostation gesperrt; die entsprechenden Hinweise kann man im Internet abrufen. Das Sicherheitstheater aber immer noch dasselbe: Uniformierte stehen steif und grimmig als menschliche Vogelscheuchen neben Metalldetektoren an jedem Durchgang an Flughäfen, Bahnhöfen und Metros, und lassen jeden durch.

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