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Samstag, 24. Februar 2018

Zurück nach Usbekistan

8 Jahre ist es her, dass ich mit dem Studenten-Austausch-Programm IAESTE zwei Monate in Usbekistan verbracht habe.

Oft dachte ich an dieses Abenteuer zurück, an die gigantischen Töpfe mit Plov auf offenem Feuer, an reife Granatäpfel, die aufgeplatzt über beigen und blau-gekachelten Grabstätten hingen.
An die bunt gemusterten Kleider der Frauen mit Gebissen aus Gold.
An den Tag auf dem Grenzestreifen zwischen Usbekistan und Kirgistan, ohne Visum, ohne Plan.
Wie wir mit Händen und Füßen gestikulierend eine Flasche Wasser in einem Kiosk gekauft haben und dabei die russischen Wörter für sprudelnd und nicht-sprudelnd lernten.
Dass der Busfahrer nur hielt, wenn man es ihm sagte. Wie wir im Geschäft um die Ecke eine Telefonkarte kaufen, um das Modem-Relikt aus den 90er Jahren aufzuladen, nur damit der lang erwartete Download einem Stromausfall zum Opfer fiel.

Ich frage mich, wie viel sich verändert hat. Nun, bald werde ich es herausfinden.

Mein Mann und ich planen eine einmonatige Reise nach Taschkent, Buchara, Samarkand, Chiva und ins Hinterland zu Jurten in den Bergen und Schiffswracks im Wüstensand.
Organisiert wird unsere Reise von den "Central Asia Tours" in der Wöllstädter Str. 11 in Frankfurt am Main. And dieser Adresse gibt es ein fantastisches usbekisches Restaurant (Caravan), das von der liebenswerten Tochter der Reisebüroinhaberin geführt wird.
Und in welchem Reisebüro der Welt kann man ein leckeres Abendessen genießen und eine Reise ins selbe Land planen? Was für eine Vorfreude!

Mittwoch, 21. Februar 2018

Seltsame Museen in Sankt Peterburg

Die winzigen Privatmuseen geben einer Stadt eine Extraprise Charme. Oftmals verschwinden sie so schnell, wie sie aus dem Boden geschossen sind. Anfang 2018 stolperte ich über die folgenden Museen: 

Сладкий Музей / Sweet Museum
Wie Candy Crush auf LSD präsentiert sich das Сладкий Музей (sládki musé) - das süße Museum - seinen Besuchern. Begrüßt wird man von einem Einhorn, dessen Horn eine Eistüte ist. Alles ist in Pink- Lila und Hellbalu-Tönen gehalten. Übergroße Skulpturen von Leckereien. Eine Mischung aus PopArt und Kitsch. Ich fragte mich nach dem Sinn, aber nur so lange, bis ich auf einer Schaukel saß und an einem Zuckerwattebaum vorbeisauste. Ab dann ignorierte ich die Frage und ging wie Alice durchs Wunderland. 


Übrigens, der Anbieter hat eine Etage in einem Einkaufszentrum in der Malaya Morskaya Ulitsa, 4/1 gemietet und verschiedene weitere Museen dort errichtet, wie das Museum der Rekorde.
Dieses Museum gibt es übrigens auch in Moskau.


Soviet Lifestyle Museum
Das Sowjetische Alltagsmuseum befindet sich am das ist derselbe Kanal, an dem die Blutskirche steht und der Newskij Prospekt
Das Museum wirkt, als hätte jemand ein paar Dachböden geplündert. Das Tolle an dem Museum ist, dass man alles anfassen und mit allem spielen darf; es gibt ein eigenes Kinderzimmer mit sowjetischen Spielzeugen wie Tisch-Eis-Hockey. Dazu gibt es eine Menge Mützen und Helme, mit denen man sich fotografieren kann. Ausgewählte Museumsstücke kann man als Andenken und zum Erhalt des Museums kaufen. 



 
Das Museum gibt es übrigens auch in Kazan


Дом вверх дном / Upside-Down-House
Mit gutem Willen als Museum bezeichenbar, ist dies ein Haus, in dem sämtliche Gegenstände und Möbel an der Zimmerdecke befestigt wurden. Wenn man sie in der entsprechenden Pose berührt und das Foto umdreht, sieht es aus, als würde man die seltsamsten Dinge kopfüber machen. Den Spaß ist es wert.


Das Haus befindet sich im Vergnügungszentrum auf dem Newskij Prospekt 5, und noch mal am "Freizeitpark" Divo Ostrov.

Das Schokoladenmuseum ist übrigens nur ein Laden.

Restaurant-Ketten in Russland

Es muss nicht immer das gemütliche Ecklokal oder die kitschige Touristenfalle sein: Man kann auch in Restaurant-Ketten sehr gute, authentische russische Küche genießen.

Столовая № 1
Eine Stalóvaja ist einfach eine Kantine. Im Gegensatz zu den meisten deutschen Kantinen stehen russische Kantinen der Öffentlichkeit zur Verfügung, d.h. es ist durchaus üblich, in der Kantine einer Firma oder Schule essen zu gehen.
Eine Kantinen-Kette ist Stalóvaja Nr. 1. Man nimmt sich ein Tablett und bestellt an den jeweiligen Auslagen direkt die Speisen, die man möchte. In der Regel gibt es eine große Auswahl an (Kartoffel-) Salaten, Suppen, Beilagen, Fleisch, Fisch und Nachtischen. Grundlegende Russischkenntnisse sind von Vorteil (d.h. man sollte zumindest die Beschriftungen lesen und aussprechen können).
Der größte Vorteil dieser Kantinen ist, dass sie extrem preiswert sind, und noch dazu authentisch russisch. Der größte Nachteil ist, dass das Essen oftmal nur lauwarm ist. 

Теремок
Teremók ist ein Pfannkuchenhaus, aber sie bieten auch andere einfache Speisen wie Suppen an.Pfannkuchen (Блины, Bliný) sind ausgezeichnet. Wer Kaviar mag, sollte sich den Pfannkuchen mit rotem Kaviar (с красной икрой, skrásneu igréu) nicht entgehen lassen. Es gibt auch eine englische Karte.
Der größte Vorteil ist, dass man sein Handy dort am Platz aufladen darf oder auch mit Laptop arbeiten kann. Der größte Nachteil ist, wenn man in der Kälte per Google Maps zum nächsten Teremok navigiert und dann feststellt, dass es nur ein Kiosk-Verkaufsstand ist.


Евразия
Evrásia bietet einen Mix aus japanischer und usbekischer Küche. Es gibt nicht nur Sushi, sondern auch andere japanische Gerichte wie verschiedenste Miso-Suppen. Unbedingt ausprobieren sollte man die außergewöhnlichen Sushi-Varianten, z.B. mit Frischkäse und Käse überbacken. Das viel schmeckt besser als es sich anhört. Typisch usbekische Gerichte sind Suppen, Reiseintöpfe (Plov) und Schaschlik. Man bekommt gute Cocktails (im Winter auch heiße) und hausgemachte Limonaden mit frischem Obst.
Die Speisekarten sind grundsätzlich zweisprachig, auf russisch und auf englisch.
Der größte Vorteil ist, dass man nach dem Essen noch entspannt eine Shisha rauchen kann. Der größte Nachteil ist, dass man oft lange warten muss und dass die Qualität der Speisen in jeder Filiale unterschiedlich sein kann.


Тайяки 
Das Taiyaki Café ist eine noch recht junge Kette, neben zwei Cafés auch einen Food Truck besitzt. Das Essen ist verspielt und originell, und es kommt schon sehr nah an den Geschmack von japanischem Essen. Es werden auch original aus Japan importierte Getränke angeboten. 
Der größte Vorteil ist, dass man kaum irgendwo in Russland authentischere japanische Küche finden kann. Der größte Nachteil ist, dass es sehr winzig ist.



SIM Karte Gigabyte Daten-Tarif für Russland

Vor Ort
Im Prinzip kann man als Ausländer in jeden Mobilfunkladen gehen und dort unter Vorlage des Reispasses eine SIM-Karte erhalten. Bekannte Anbieter sind MTS, Beeline oder Tele2. Grundlegende Russischkenntnisse sind von Vorteil, um den richtigen Tarif zu erhalten. Und man sollte darauf gefasst sein, dass die Angestellten manchmal keinen Bock auf den Prozess haben, eine SIM-Karte für einen ausländischen Pass auszustellen.


Vor der Reise
Wem das alles zu nervig ist, der kann schon vor der Abreise eine SIM-Karte mit dem gewünschten Tarif bei eBay bestellen. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit dem Anbieter onixtak gemacht. Beim Business-Tarif gibt man nur an, an welchem Datum man in Russland einreist, und alles wird fertig konfiguriert ausgeliefert, d.h. man steigt aus dem Flieger und hat sofort Internet.
Man kann Bundles mit 5, 7, 10 oder 20 GB kaufen und ein paar Rubel als Grundguthaben für Anrufe und SMS.
Die SIM-Karten sind für 4G (LTE) Highspeed ausgelegt und können mit einem neueren Smartphone oder Mobile Wifi Hotspot genutzt werden (im Gegensatz zu den USA oder Japan, wo andere Frequenzen verwendet werden).

Achtung: Da onixtak aus Israel versendet, sollte man mindestens einen Monat im Voraus bestellen, damit der Warenbrief rechtzeitig durch den deutschen Zoll kommt.


Geld aufs Handy aufladen
Diese Karten können vor Ort an Automaten wie diesem aufgeladen werden:

Diese stehen an sämtlichen Metrostationen, in Geschäften oder in Unterführungen. Man wählt den Anbieter, gibt die Telefonnummer ein und zahlt bar direkt am Automaten. Man kann dadurch auch fremden Telefonnumern Geld übertragen.

Achtung: russische Telefonnummern beginnen nicht mit 0, sondern mit 8. Nicht zu verwechseln mit der Landesvorwahl von +7. An den Automaten wird die Telefonnummer mit 8 beginnend eingegeben.

Ballett - Unterricht als Tourist

Sankt Petersburg ist die Stadt des Balletts. Gefühlt jedes Mädchen hatte mal Unterricht. 

Auch als Tourist kann man durchaus die ein oder andere Stunde nehmen, z.B. in der Ballett-Schule "Vizit Dance" am Theater "Karlsson Haus", Ulitsa Lomonosova, 14.

 Der Eingang ist im Hof, er ist als Kasse des Theaters ausgeschildert und etwas schwierig zu finden. 


Man muss klingeln, sich an der Rezeption melden und die Stunde direkt dort bar bezahlen (500 Rubel, also ca. 7 Euro) für eine gemeinsame Stunde, Einzelstunden sind nach Absprache möglich. Die Rezeptionistinnen sprechen englisch oder sogar deutsch.

Für die Stunde selbst sind Vorkenntnisse in Ballett sowie Grundkenntnisse der russischen Sprache von Vorteil, aber man ist immer bereit, Gästen entgegen zu kommen. Ballettschlappen sollte man mitbringen und sich die Haare zusammenbinden. 

Die Stunde beginnt mit Aufwärm-Übungen, danach Grundübungen an der Stange und anschließend Übungen im Raum zu klassischer Musik. Die Lehrer sind freundlich, aber bestimmt. Mir hat sehr gefallen, dass sie auf korrekte Ausführung achten, viel korrigieren und die Übungen wiederholen lassen, wenn sie das Gefühl haben, dass die Bewegung noch nicht genau verstanden wurde.

Der Stundenplan ist auch auf der Webseite zu finden. Dieser Flyer zeigt aber schön die verschiedenen Optionen: Stunden mit Tilde ~ sind Anfängerstunden, Istgleich = ist mittleres Niveau, und Plus + sind Profi-Stunden mit Spitzentanz. 


Vorurteile über Russland

Vorurteil
Russen sind immer schlecht gelaunt, lachen nie, oder haben eine dunkle Seele.

Gegendarstellung
Russen lächeln Fremde nicht an, weil das Lächeln aus Höflichkeit nicht gebräuchlich ist. Wenn Russen lächeln, kommt es von Herzen.

Auffällig ist dies vor allem im Service-Bereich und an offiziellen Stellen. Wenn Grenzbeamte nicht lächeln, ist das ein Zeichen dafür ist, dass sie ihren Beruf ernst nehmen.
Wenn die Kassiererin im Supermarkt nicht grüßt und nicht lächelt, ist das normal und muss nicht unbedingt heißen, dass sie einen schlechten Tag hat. Ausgeschlossen werden kann es aber nicht.


Vorurteil
Russen sind Alkoholiker.

Gegendarstellung:
Hier findet eine Veränderung statt. Gerade die jüngere, gebildete Generation trinkt sehr wenig, viele sind sogar Anti-Alkoholiker und ernähren sich vegetarisch (wenn auch ein geringerer Anteil der Bevölkerung als in Deutschland). 
Eine mögliche Erklärung (die ich gelegentlich gehört habe) ist, dass diese Generation davon abgeschreckt wurde, wie sich die Generation vor ihr zu Grunde getrunken hat.


Vorurteil:
In Russland ist es immer kalt.

Gegendarstellung:
Russland ist ein riesiges Land mit vielen verschiedenen Klimazonen. Im Sommer kann es im Inland bei kontinentalem Klima einen stabileren Sommer geben als in Deutschland. Das gilt nicht für Sankt Petersburg, das am Meer liegt und meistens verregnet ist. Im Winter ist es deshalb in Sankt Petersburg generell nur wenige Grade kälter als Deutschland; die richtig tiefen Temperaturen von -30 oder -40 Grad findet man eher Richtung Sibirien.
In den Häusern ist es im Winter immer sehr warm, weil zentral geheizt wird und es keine Thermostate gibt. Die einzige Möglichkeit, die Temperatur zu regeln, ist das Öffnen des Fensters.

to be continued

Schlittschuhlaufen in Sankt Petersburg

 Eine wunderbare Beschäftigung für einen kalten, klaren Abend: Schlittschuh laufen. Dazu gibt es in Sankt Petersburg viele Gelegenheiten, sowohl indoor, als auch draußen auf Eislaufbahnen, oder sogar im Wald. Dieser englische Artikel listet die besten Optionen sehr gut auf: Prospektmag: Ice skating rinks.

Ich habe die Eislaufbahn auf dem Inselchen Neu Holland (Nóvaja Gollandija, Но́вая Голла́ндия) ausprobiert.

Von meiner Seite möchte ich nur einen Hinweis auf eine Besonderheit geben, die man als deutscher Besucher vielleicht nicht erwartet: Nicht wundern, wenn das Eis leer ist.
Die Eisbahn ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bald geöffnet. Denn es gibt feste Sessions von jeweils einer Stunde, während derer die Eisbahn für Eisläufer freigegeben ist ist. Danach wird die Bahn gesperrt und das Eis wiederaufbereitet. Keine Angst, auf die Öffnung der Bahn wird im Warmen gewartet. 

An der Rezeption kann man gegen ein Ausweisdokument und 220 Rubel Schlittschuhe ausleihen (schwarze Schuhe für Anfänger, weiße für Fortgeschrittene). Die Schuhgrößen sind die gleichen wie in Deutschland.

Die berüchtigte russische Sauna (Banya, Badehaus)

Schon ab 30 Euro kann man einen Abend in einer gehobenen Banya verbringen. Für russische Verhältnisse ist das relativ viel Geld. Man findet durchaus billigere Banyas, aber diese sollte man aus hygienischen Gründen meiden.

Ich habe in Sankt Petersburg die Degtyarnie Bani besucht. Dort gibt es eine Etage für Männer, eine für Frauen, und später abends kann man eine komplette Etage als Gruppe mieten.
Per Internet über das Reservierungsformular anmelden klappt nicht immer, aber Montag bis Donnerstag ist das kein Problem, da wenig los ist. Freitags ist der traditionelle Saunatag bzw. -abend.

Hinweis: Die englische Version der Webseite funktioniert nicht korrekt; es empfiehlt sich, die russische Seite zu nutzen, ggf. mit automatischer Übersetzung wie in Google Chrome.


Was muss man beachten?
Eigentlich nichts. Man geht nackt hinein, wie in Deutschland. Alles ist ausleihbar, z.B. Badeschuhe und ein Tuch, auf das man sich zum Schwitzen legt. Plastikflaschen dürfen mit in die Räumlichkeiten hinein genommen werden, aber keine Glasgegenstände. Es gibt ein Café, in dem man essen und trinken kann. Unbedingt probieren muss man den hausgemachten Kwas, das traditionelle Sauna-Getränk. Es wird aus Brot hergestellt. Die Variante aus dem Supermarkt schmeckt Malzbier, aber der hausgemachte eher wie eine Mischung aus Tonic Water und Bier: Herb, etwas sauer, prickelnd erfrischend.

Wie ist die Ausstattung?
In den Räumlichkeiten gibt es ein Dampfbad, eine klassische russische Sauna, einen Waschraum und ein kaltes Becken. Zum Ausruhen gibt es keine Liegeräume wie in Deutschland, aber Sitzecken, und beheizte Steinbänke mit aufgeblasenen Kopfkissen.

Was, die machen das wirklich?
Nun zum Highlight des Banya-Besuchs: Das Schlagen mit dem Birkenzweig, dem Wenik, wie er im Bild unten zu sehen ist.  Daneben liegt eine Saunamütze aus Filz (Bannaja Schapka, Банная шапка), die aufgesetzt wird, bevor man den Saunaraum betritt. Es ist kontraintuitiv, aber sie isoliert die Wärme und hält den Kopf auf einer angenehmen Temperatur, wodurch der Saunagang weniger anstrengend wird und man länger durchhält.


Wie bekommt man eine Birkenzweig-Massage?
Man bittet an der Rezeption um eine "Parénije klassítscheskoje" (Парение классическое). Für 450 Rubel wird man dann 6 Minuten lang mit den Zweigen abgeklopft und massiert. Alternativ kann man sich für 200 Rubel ein Birkenzweigbündel kaufen und sich selbst oder einen Partner damit abklopfen. 
Besser is jedoch, sich einem Meister zu überlassen: In kaltes Wasser getaucht werden zwei Weniki unter die Füße und unter das Gesicht gelegt; durch die Blätter atmen macht die Hitze angenehmer. Weitere Bündel werden in heißen Wasser wie Tee gekocht. Man wird damit erst vorsichtig abgeklopft, mit dem Bündel etwas massiert und schließlich heftiger geschlagen, aber nie so stark, dass es unangenehm wäre. Währenddessen wird man aufgefordert, sich nach und nach zu drehen, die Beine anzuwinkeln, die Hände anzuheben, aufzusitzen, wieder die Arme zu heben - es erinnert an ein Ritual. 
Nach der Prozedur wird im Duschraum lauwarmes Wasser in Schüsseln über die Körpermitte gekippt und nach Wunsch kaltes Wasser über die Arme und Beine.

Mittwoch, 7. Februar 2018

Russland in Veränderung (oder auch nicht)

Ich komme alle paar Jahre nach Russland zurück für einen Urlaub und beobachte fasziniert, wie sich das Land verändert. Update 2018.
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Schon vor einigen Jahren (um 2012) wurde die Tradition des Buchlesens in der Metro vom Spielen auf dem Smartphone verdrängt; aber es gibt sie noch, die Leute mit einem Buch, etwa so häufig wie in Deutschland.
Um diese Zeit herum eröffneten auch die ersten vegetarischen Cafés und Biomärkte im russischen Hinterland; mittlerweile sehe ich direkt aus meinem Zimmerfenster in Sankt Petersburg zwei davon.
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Die Sanktionen sorgten dafür, dass viele Lebensmittel teurer wurden. Nichtsdestotrotz sind die Supermärkte sind voll und überall finden sich Produkte aus dem Westen: Es gibt noch Milka, Lebkuchen und Mozartkugeln, Bonaqua und Gerolsteiner Wasser, Zewa-Taschentücher und Putzmittel mit deutschen Beschriftungen (wobei man nie sicher sein kann, ob es ein Mittel zur Vermarktung ist -- wie die Schokoladenmarke Alpengold -- da deutsche Produkte als qualitativ hochwertig gelten).
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Werbung wird als tanzender Lichtkegel auf den Schnee projiziert.
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Postämter gelten immer noch als Filiale der Hölle auf Erden, in die ein Einheimischer nie einen Fuß setzen würde, wenn nicht sein Leben davon abhinge. Aber auch hier scheint es Veränderungen zu geben: Früher hat eine Briefmarke in jedes Land unterschiedlich vielgekostet, aber heute sind es 41 Rubel in jedes beliebige Land.
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Das mobile Internet wird immer billiger, ich hatte eine 7GB Flatrate / Monat SIM-Karte für 15 Euro, und das war die teure Variante von eBay.
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Netflix gibt es auch in Russland, aber nur mit englischer und russischer Tonspur und gelegentlich finnischen Untertiteln -- Netflix interessiert es nicht, aus welchem Land man kommt, sondern nur, in welchem Land man sich aufhält.
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Im Schnellzug Sapsan laufen neben Filmen staatlich gesponserte Werbeclips: eine App, die anhand der User-Lokation anzeigt, wo sich die nächsten Recycling-Möglichkeit befindet (ich habe noch nie in Russland Mülltrennung gesehen).
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Ein Animationsfilmchen, das einen Opa zeigt, der mit Schrotflinte auf Gauner schießen will, aber eine Oma besteht darauf, dass er stattdessen die Polizei ruft; um das zu verdeutlichen, macht sie ein Schussgeräusch mit ihrem Siemens-Handy. Ob damit das Vertrauen in die Polizei gestärkt werden kann, bleibt abzuwarten. Meine Freunde haben früher gesagt: Wenn du nach einem Einbruch die Polizei rufst, nimmt sich der Polizist noch was mit.
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Präsidentenwahlinfos, schön animiert, sodass jeder weiß, wo er wählen gehen kann. Einige Bekannten wollen nicht hingegen, oder stattdessen ihren eigenen Namen auf den Wahlzettel schreiben, weil sie gehört haben, dass es so weniger wahrscheinlich ist, dass jemand anderes in ihrem Namen wählt.
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Wegen Terrorwarnungen und zurückgelassenen Taschen wird jeden Tag mindestens eine Metrostation gesperrt; die entsprechenden Hinweise kann man im Internet abrufen. Das Sicherheitstheater aber immer noch dasselbe: Uniformierte stehen steif und grimmig als menschliche Vogelscheuchen neben Metalldetektoren an jedem Durchgang an Flughäfen, Bahnhöfen und Metros, und lassen jeden durch.